NEURODIVERSITÄT: EINE NEUE KRANKHEIT?

Kennen Sie die alte Lebensweisheit der Kölner: Jeder Jeck ist anders? Kein Neurowissenschaftler hat das herausgefunden, sondern einfach Kölner Jecken, also alle Kölner.

Derzeit rollt die Neurodiversitätswelle durchs Internet, derzufolge Verhaltensauffälligkeiten wie ADHS keine spezifische Krankheit sein sollen, sondern lediglich Normvarianten normalen Verhaltens. Das finden wir grundsätzlich fortschrittlich, obwohl es natürlich nichts wirklich Neues darstellt und auch von uns schon immer so propagiert wurde, solange nicht eine tatsächliche medizinische Krankheit hinter der unspezifischen Symptomatik steckt. Psychiatrische Diagnosen sind schließlich keine medizinischen Krankheiten, sondern soziale Konstrukte, und die kann man jederzeit anpassen oder abschaffen.

Aber warum wird dieser Ansatz sofort wieder so kategorisiert, als gäbe es nun die Neurodiversen neben den „Neurotypischen“? Warum wird es wieder so schwarzweiß, wenn es um Diverses, also bunte Vielfalt gehen soll? Warum wird wieder behauptet, bei Neurodiversität „ticke“ das Gehirn anders als beim „Normalo“? Ist Neurodiversität also nur wieder eine neue Krankheit?

Nein, wer es ernst meint mit „Neurodiversität“, sollte diesen monströsen, pseudowissenschaftlichen Begriff gleich wieder vergessen. Es gibt nicht Neurodiverse versus Normalos. Kein menschliches Gehirn „tickt anders“, denn es gibt keine zwei identischen menschlichen Gehirne auf der ganzen Welt.

Unser Vorschlag ist ganz einfach: Bleiben wir bei Verhaltensbeschreibungen, analysieren wir die dahinterliegenden menschlichen Motive und Biografien, nicht nur, wenn Menschen psychisch leiden, sondern auch im Sinne einer hilfreichen Selbsterkenntnis. Diagnosen brauchen wir dabei ganz selten.

Autor: adhskritik

Hans-Reinhard Schmidt, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, Gutachter, Buchautor, Supervisor, Dozent.