WILLKOMMEN IN DER ADHS-SPRECHSTUNDE
Hier beantwortet Dipl.-Psych. Hans-Reinhard Schmidt kostenlos Ihre Fragen zu ADHS. Hans-Reinhard Schmidt ist Psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis, Klinischer Psychologe (BDP), Familientherapeut (EAP), Gutachter, Supervisor (BDP) und Hypnotherapeut (TMI) und hat jahrzehntelange klinische Erfahrung mit ADHS. Weitere Informationen unter Hans-Reinhard Schmidt
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1. SOLLEN WIR IHN AUF ADHS UNTERSUCHEN LASSEN?
Hallo Herr Schmidt, ich bin 35 Jahre alt, verheiratet u. habe einen 5 jährigen Sohn. Immer wieder mache ich mir Sorgen darum, daß ich meinen Sohn nicht richtig behandel. Z.Beispiel weiß ich nicht, wie ich meinen Sohn auf Stunden beschäftigen soll. Alleine spielt er nur am PC oder seit Weihnachten mit der Konsole. Am Tage sieht er ca. 2 Stunden fernsehen. Ist das zuviel? Mein Sohn ist ansonsten auch ein sehr unruhiges Kind. Ist viel in Bewegung. Die Erzieherinnen im Kindergarten haben uns auch schon zu einem Gespräch bestellt u. mitgeteilt das unser Sohn sehr unruhig ist und im sozialen Kontakt zu den anderen Kindern Schwierigkeiten hat. Zur Zeit gehen wir mit Ihm zum TakWanDo. In der Hoffung das er dadurch sich abreagiert. Sollten wir Ihn auf ADS einmal untersuchen lassen? Gruß A. |
Hallo,
vielen Dank für Ihren Brief!
Sie wirken als Mutter etwas unbeholfen! Wieso können Sie nicht fantasievoll und lustig mit Ihrem Kind spielen? Was macht der Vater mit seinem Sohn? Haben Ihre Eltern mit Ihnen als Kind denn auch nicht richtig schön und stundenlang gespielt? 2 Stunden Fernsehen ist natürlich viel zu viel für Ihr Kind. Wieso hat er überhaupt in seinem Alter eine Spielkonsole? Die braucht ein Fünfjähriger überhaupt nicht.
Ihr Kind muss sich nicht abreagieren. Es braucht stattdessen Eltern, die sich mit ihm intensiv und lustvoll beschäftigen können. Sie müssen ihn nicht „beschäftigen“, sondern Sie und sein Vater sollten Spaß mit ihm machen und haben. Es muss Ihnen selber Freude machen, was Sie beide zusammen gerade unternehmen. Sie müssen Ihr Kind begeistern und an sich binden, indem Sie schöne Dinge mit ihm machen und unternehmen. Das können ganz einfache Sachen sein, die kein Geld kosten (z.B. Steine in den Fluss schmeißen oder sich Geschichten ausdenken, oder das Spiel machen „Ich sehe was, was du nicht siehst, oder Papierfiguren basteln, oder…oder…). Was fällt Ihnen selber noch ein?
Wenn Sie dabei (wie ich stark vermute) Anregungen und Unterstützung brauchen, sollten Sie sich irgendeinem Eltern-Spielkreis anschließen. Fragen Sie in Ihrem Jugendamt oder in Ihrer Erziehungsberatungsstelle nach solchen Möglichkeiten.
Auf „ADHS“ brauchen Sie Ihr Kind dann sicher nicht untersuchen lassen.
Ist überzeugt Ihr
Dipl.-Psych. H.-R. Schmidt
2. BEI MEINEM SOHN WURDE EINE HYPERAKTIVITÄT FESTGESTELLT
Guten Tag Herr Schmidt Bei meinem Sohn wurde eine Hyperaktivität festgestellt.Er wurde ca 3 Monate mit Ritalin behandelt und er hat sich dann auch verändert er war ruhiger und in der schule kam er besser mit.Mein Sohn ist 9 Jahre alt er ist 126cm groß und wiegt 18 kilo.Er ist jetzt seit einer woche im Krankenhaus weil sein Gewicht zuwenig ist und er unter der Einnahme von Ritalin auch abgenommen hat.Jetzt soll das ritalin abgesetzt werden. Meine Frage an sie ist gibt es Spezielle Ärzte die sich mit dieser Krankheit auskennen ich habe das Gefühl das mein Kinderpsychologe bei dem wir in Behandlung sind damit total überfordert ist.Ich habe jetzt schon soviel darüber gelesen und im Fernsehen gesehen und ich muß feststellen das mich mein Kinderpsychologe nicht versteht oder verstehen will.Mein Sohn ist mitunter so aggressiv das er auf seine Geschwister und auf mich losgeht.Ich habe 4 kinder und ich werde mit ihm nicht mehr fertig ich weiß nicht mehr was ich noch machen soll und ich möchte sie bitten mir einen rat zu geben was für möglichkeiten ich habe. Ich bedanke mich schon jetzt für ihre hilfe und verbleibe bis dahin. Mit freundlichen Grüßen A. |
Hallo,
vielen Dank für Ihren Brief! Aus meiner Sicht gibt es keine klar abgrenzbare und diagnostizierbare medizinische Krankheit „Hyperaktivität“ oder „ADHS“. Die Probleme mit Ihrem Sohn lassen sich wahrscheinlich nicht mit der Diagnose „Hyperaktivität“ plus „Ritalin“ einfach mal so oberflächlich abtun.
Sie müssen stattdessen herausfinden und einfühlen lernen, was Ihren Sohn seit langem seelisch oder körperlich wirklich quält oder stört. Erst dann wissen Sie, wie man helfen kann. Was sind die Gründe (außer „Ritalin“) für sein starkes Untergewicht und seine Essstörung? 97 % der Neunjährigen wiegen mehr als Ihr Sohn, das ist wohl derzeit sein ernstestes Problem. Die Hyperaktivität kann durchaus eine Folge seiner Essstörung sein. Welchen Sport macht Ihr Sohn? Sie schreiben nichts über Ihr Familienleben und dessen Beziehungssituation. Wie sieht es mit der Geschwisterrivalität aus? Welche Erfolgserlebnisse kann der Sohn verbuchen? Wie sieht sein Selbstwert aus? Welche Rolle spielt der Vater? Er ist gerade für sehr lebendige Jungen sehr wichtig.
Ich glaube fest, dass derzeit sehr viele seelische oder körperliche Probleme von Kindern hinter dem medizinischen Etikett „ADHS“ versteckt und mit „Ritalin“ zugeschüttet werden.
Mein Rat für Sie: Vergessen Sie alles, was Sie bisher über diese vorgebliche Krankheit ADHS gelesen oder im Fernsehen gesehen haben! Wenden Sie sich stattdessen an eine medizinisch begleitete (Essstörung) Erziehungs- und Familienberatungsstelle. Versuchen Sie dort gemeinsam mit Ihrer Familie, also auch mit dem Sohn, und einem kompetenten Fachmann in aller Ruhe herauszufinden, worunter Ihr Sohn seelisch leidet. Wenn Sie dies herausgefunden und verstanden haben, können Sie ihm (und er sich selbst) helfen. Auch ohne Ritalin.
Und lesen Sie zum Beispiel das Buch von Thomas Armstrong: „Das Märchen vom ADHS-Kind“. Das schafft einen klaren elterlichen ADHS-Kopf.
Mit Gruß, Ihr
Dipl.-Psych. Hans-Reinhard Schmidt
3. HYPERAKTIVITÄT BEI EINEM EINJÄHRIGEN?
Hallo, wir haben 2 Söhne. Unser erster ist 5 1/2 Jahre und ganz „normal“. Unser 2. Sohn ist 1 Jahr alt und so ganz anders! Er findet einfach nie Ruhe, weigert sich einzuschlafen (versucht ständig aufzustehen, reißt an unseren Haaren, ist ärgerlich). Am Tag ist er unwahrscheinlich flink, er krabbelt nicht normal, sondern immer mindestens doppelt so schnell, er braucht eine ganze Person als Aufsicht, da er ständig etwas anstellt. Er ist einfach dauernd ruhelos. Er kann nicht einfach mal auf dem Schoß sitzen, ein Buch anschauen, ruhig bleiben. Man hat das Gefühl, er will ständig aus der Haut fahren. Wir lassen momentan Bioresonanztherapie bei ihm durchführen, um einen Candita-Pilz zu behandeln den er sich durch eine Antibiotika-Gabe eingehandelt hat. Der Arzt arbeitet mit verschiedenen Methoden und wir haben ihm auch geschildert, daß er äußerst unruhig ist. Er meint, daß in diesem Alter oft eine Allergie gegen Zucker vorliegt, die die Hibbeligkeit von Kleinkindern hervorrufen kann. Mit kinesiologischem Test hat er heute herausgefunden, daß er auf Zucker allergisch reagiert und daraufhin eine Bioresonanztherapie verabreicht. Eine Besserung seiner Unruhe konnten wir nicht feststellen. Wir haben gehört, daß man bei Einjährigen nicht von Hyperaktivität sprechen kann. Aber was könnte der Grund für diese totale Unruhe sein? Zur Zeit wissen wir einfach keinen Rat, er macht es uns einfach enorm schwer und wir leiden darunter. Was könnte dahinter stehen, was sollen wir untersuchen lassen? |
Hallo,
vielen Dank für Ihren Brief! Man kann durchaus schon bei Säuglingen und Kleinkindern von so etwas wie Hyperaktivität sprechen. Es gibt von Geburt an besonders unruhige und „stressige“ Kinder. Die Unruhe Ihres kleinen Sohnes kann aber viele Ursachen haben. Ich kann natürlich von hier aus nicht eingrenzen, was davon in Frage kommt. Meist handelt es sich um eher unspezifische neurologische „Entwicklungs-Unreifen“, die bei geschickter Erziehung und z.B. ergotherapeutischer Behandlung und Frühförderung eine sehr günstige Prognose haben. Sie sollten mit Ihrem Kinderarzt über die Überweisung in ein Frühförderzentrum oder ein Sozialpädiatrisches Zentrum in Ihrer Region sprechen. Dort finden Sie erfahrene Fachleute (Ärzte, Psychologen, Heilpädagogen, Motopäden, Ergotherapeuten etc.), die auf solche Probleme spezialisiert sind, auch was die Diagnostik betrifft. Ihr Arzt scheint mir da derzeit etwas im Nebel zu stochern mit seiner zweifelhaften Bioresonanztherapie und Zuckerallergie. Das wirkt auf mich etwas hilflos und willkürlich. Er sollte Sie lieber sofort in eine der oben genannten Spezialeinrichtungen überweisen. Eine qualifiziertere Diagnostik und Beratung/Behandlung wäre sicherlich hilfreicher. Aber machen Sie sich keine Sorgen: Der alte Spruch „Das wächst sich aus“ hat bei solchen Anfangsschwierigkeiten noch immer geholfen.
Ihr nächstes Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) finden Sie z.B. unter http://www.dgspj.de/spz.php
Frühförderstellen finden Sie z.B. unter http://www.familienratgeber.de/ratgeber/seite__7210.html
Alles Gute, viel Geduld und Liebe, Ihr
Dipl.-Psych. H.-R. Schmidt
4. LEICHTE ADHS BEI HOCHBEGABUNG?
Sehr geehrter Herr H.-R. Schmidt! Wir haben vor einigen Tagen die Diagnose leichte Form von ADHS bei unserem 6-jährigen Sohn erhalten. Der Facharzt für Kinder-u. Jugendpsychologie erklärte uns, das der IQ-Test (HAWIKIII) einen IQ von 129 ergab und dies das ADHS-Syndrom kompensieren würde. Er hat uns keine Ritalin- und Verhaltenstherapie empfohlen, da er das häusliche Umfeld als sehr positiv bezeichnet hat. Wir sind nun aber trotzdem sehr ratlos, da wir bereits im sowohl KIGA als auch in den ersten Schulwochen negative bzw. problemisierende Rückmeldungen erhalten haben. Der Lehrer fragte uns bereits in der 2. Woche, ob wir schon an ADS gedacht hätten. Im KIGA wurden wir darauf nicht angesprochen, sondern uns wurde eine Ergotherapie empfohlen, bei der keine Störung festgestellt werden konnte. Nach Maßnahmen unsererseits mit Hilfe von triple p verbesserte sich das schulische Verhalten unseres Sohnes. Wir stehen nun vor der Entscheidung, inwieweit wir den Lehrer informieren sollen, da wir selbst unseren Sohn nicht als ADHS-Kind einschätzen. Er ist sehr aufgeweckt, interessiert und für vieles zu begeistern. Motorische Unruhe stellen wir bei ihm vorwiegend dann fest, wenn er keine Stimulation durch Bücher, Hörspiele, Lego, Schleichtiere etc. bekommt. Auffällig ist, dass man ihm sehr lange vorlesen kann, ohne dass er unruhig wird. Bezug nehmend auf Ihren Beitrag zum Thema ADS und Hochbegabung (wobei wir nur Ihren Titel zitieren, denn die Diagnose Hochbegabung wurde nicht gestellt. Nur der IQ-Test weist deutlich auf eine überdurchschnittliche Intelligenz hin) möchten wir Sie fragen, ob wir diese Diagnose so akzeptieren odere weitere Schritte unternehmen sollen. Man muss dazu sagen, dass der Facharzt als angesehene Kapazität in unserem Raum gilt. Gruß Fam. L. |
Liebe Familie L.,
leider haben Sie es mit einem Arzt zu tun, der die Dinge verdreht, und mit einem Lehrer, der sich mit einem individualisierten Unterricht nicht auskennt.
Dass hohe Intelligenz eine „ADHS“ kompensiert, ist gar nicht nachgewiesen. Diese Annahme setzt zudem die Existenz einer körperlichen Krankheit ADHS voraus, aber ADHS ist als spezifische körperliche Störungsentität auch nicht belegt. Eine leichte Form von ADHS gibt es außerdem schon gar nicht, da die Diagnose kategorisch ist (Ja oder Nein).
Ich empfehle, die Diagnose ADS bzw. ADHS ganz einfach zu vergessen bzw. zu ignorieren. Wie Sie vielleicht wissen, gehöre ich zu denjenigen Fachleuten, die nicht davon ausgehen, dass es ADHS als eigenständiges und spezifisches Störungsbild überhaupt gibt. Stattdessen würde ich in eine gute Erziehungsberatungsstelle oder einen schulpsychologischen Dienst gehen und mich dort beraten und begleiten lassen, wie ich gemeinsam mit der Schule erzieherisch mit meinem erfreulich intelligenten Kind umgehen kann. Sehr intelligente Kinder sind schulisch nicht selten unterfordert und werden dann leicht unruhig/ungeduldig, weil sie mehr geistiges „Futter“ brauchen, als vorgehalten wird. Mit einer Krankheit ADHS hat das dann rein gar nichts zu tun. Es ist vielmehr so ähnlich, wie wenn ein erwachsener Akademiker immer ausschließlich die Bildzeitung lesen müsste: Er würde sicher rasch sehr unzufrieden und frustriert. Das wäre doch aber wohl sehr verständlich und keineswegs eine Störung, nicht wahr?
Der Lehrer sollte unbedingt mitberaten werden, wie er in seinem Unterricht auf das einzelne Kind bezogene Angebote einbauen kann. Dazu gibt es anregende Literatur, die er verwenden kann, z.B. Differenzieren im Unterricht
Mit freundlichem Gruß und den besten Wünschen, Ihr
Dipl.-Psych. Hans-Reinhard Schmidt
5. MEIN SOHN WILL IMMER IM MITTELPUNKT STEHEN
Sehr geehrter Herr Schmidt,
mein Sohn hat Probleme Freundschaften zu halten. Er (7Jahre) hat von frühster Kindheit den unweigerlichen Drang im Mittelpunkt zu stehen und alles muss auf sein Kommando hören!
Zuhause hat er dadurch keine Vorteile. Bei seinen Freunden artet es so aus, das er sie anschreit oder ziemlich unsanft behandelt wenn sie nicht so spielen wollen wie er. Wenn er dann ausgeschlossen wird ist er naturlich aggressiv. Vor anderen Erwachsenen lässt er sich auch nichts sagen, wird gleich bockig, ich muss ihn dann immer in einen anderen Raum bringen, um an ihn heran zu kommen. Mit anderen Erwachsenen in der Betreuung klappt es nur, wenn die Erwachsenen sehr konsequent sind. Mit anderen macht er was er will bis
diese mit den Nerven am Ende sind. Zuhause habe ich keine Probleme mit ihm.
Vielleicht gibt es einen Buchtip?
Mit freundlichen Grüßen
Frau C.
Liebe Frau C.,
Ihr Sohn ist ganz normal, so wie alle Kinder: sie wollen alle von Anfang an im Mittelpunkt stehen. Sie wollen alle, dass alles auf Ihr Kommando hört (wollen wir das nicht alle ein bisschen, wenn Sie ehrlich sind?). Das ist sozusagen angeboren bei uns Menschen. Es ist sogar lebenswichtig, denn wenn ein Baby nicht irgendwie im Mittelpunkt stünde, würde es bald sterben. Für Eltern dreht sich ja auch alles um ihr neugeborenes Kind. Nur: im Laufe des Lebens wird dieser Drang immer schwächer. Je älter Menschen werden, umso weniger haben sie es nötig, ständig im Mittelpunkt stehen oder das Kommando führen zu müssen. Sie fühlen sich dann auch ohne dies selbstsicher. Es muss sich nicht mehr alles nur um sie drehen (von Ausnahmen abgesehen!)
Wenn bei Kindern dieser normale Drang nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten (wie bei Ihrem Sohn) nachlässt, dann liegt das meistens daran, dass sie einfach noch nicht genug auf ihre Kosten gekommen sind. Ihr Wunsch, im Mittelpunkt zu stehen, das „Kommando“ zu führen und dass sich alles nur um sie drehen soll, ist nicht gestillt worden. Deshalb müssen sie es immer wieder zu erzwingen versuchen, was viel Tränen und Verzweiflung mit sich bringt, wenn es immer weiter versagt bleibt.
Liebe Frau C., ich lese in Ihrem Brief „zwischen den Zeilen“, dass Sie und/oder Ihr Mann in der Erziehung zu streng sind. Sie lassen Ihrem Sohn zu selten das wundervolle Gefühl, dass sich alles um ihn dreht. Sie verbieten wahrscheinlich zu viel, bestrafen zu streng. Er hat einfach zu wenig das herrliche Gefühl, dass Sie ihn lieb haben und es ganz toll finden, wie er ist und was er macht! Und das macht ihn ganz rasend und deshalb will er verzweifelt und ungeschickt alle anderen zwingen, ihn zu lieben und in den emotionalen Mittelpunkt zu rücken. Leider erlebt er damit immer wieder bittere Enttäuschungen, weil alle ihn missverstehen müssen (sie finden ihn frech oder aggressiv) und ihm einen Dämpfer verpassen.
Liebe Frau C., ich vermute, dass Ihnen meine Ratschläge etwas absonderlich vorkommen. Wenn ich da richtig liegen sollte, müssten Sie und Ihr Mann im Rahmen einer Familientherapie in einer Erziehungs- und Familienberatungsstelle Ihrer Region gründlicher besprechen und üben, als es hier möglich ist, wie Sie Ihr erzieherisches Verhalten ändern. So etwas geht nicht von heute auf morgen. (Suchen Sie im Internet nach „bke“. Dort finden Sie ein bundesweites Adressenverzeichnis von Beratungsstellen. Oder fragen Sie bei Ihrer Stadtverwaltung nach der nächstliegenden Erziehungsberatungsstelle). Denn dass dies sinnvoll und hilfreich wäre, davon ist überzeugt, Ihr
Dipl.-Psych. Hans-Reinhard Schmidt
6. WIE KANN MICH GEGENÜBER MEINEN KINDERN DURCHSETZEN?
Hallo Herr Schmidt,
in den letzten Jahren haben sich viele Probleme bei mir angestaut. Ich bin 30 Jahre jung, habe vier Kinder, bin geschieden, habe aber einen lieben Freund. Die wichigsten möchte ich kurz anschneiden, da diese mittlerweile zur absoluten Ratlosigkeit und nervlichen Problemen führen. Während meiner damaligen Ehe stellte ich fest, daß mein Sohn Dennis, als er 2,5 Jahre alt war, hyperaktiv ist. Damit fing einiges an, das gerenne von einem Arzt zum nächsten Psychologe, zur Ergotherapie usw. Nichts half. Aber das war nicht so schlimm für
mich, ich liebe meinen Sohn ja. Schlimm war, daß ich einen charaktermäßig “ schlechten“ mnn hatte, vor dem ich meinen Sohn schützen mußte, der sonst den Bach runtergegangen wäre, da mein damaliger Mann immer ausrastete, wenn Dennis auffiel. Er unterstütze mich auch in rein gar nichts. Mittlerweile ist es so, daß ich geschieden bin,aber mein Sohn überhaupt kein “ Respekt“ vor mir hat. Es soll ja nicht viel sein, nur ein wenig
Achtung, aber ich habe das Gefühl, daß mein Exmann dazu beigetragen hat durch seine Art, daß mein Sohn einerseits nichts besonderes in mir sieht, und andererseits meint, er könne
seiner Krankheit freien Lauf lassen, ich würde ihn weiter schützen, also es ginge immer so weiter. Da ich aber nun seit fast 3 Jahren mit den Kinder bei meinem Freund lebe, hat sich das
geändert, ich brauche keine Angst haben, daß ihm was passiert, da mein Freund ganz anders ist. Ich habe das auch meinem Sohn gesagt ( 9 Jahre alt), aber irgendwie will er mit aller
macht meinen Schutz weiterhaben, und nutzt mich gnadenlos aus, obwohl ich nun dank meines Freundes zumindest wieder etwas ein Jemnad sein könnte, und meinen Sohn nun nicht
mehr immer decken möchte. Ich meine, nach fast 3 Jahren, müßte er es doch auch trotz hyperaktivität einigermaßen verstehen können. Hinzu kommt, daß meine Tochte Franz ( 7,5 Jahre) eher wohl ins hypoaktive schlägt, und mir dadurch Probleme in genau
anderer Richtung macht. Sie denkt nur langsam, lügt ungewöhnlich häufig, gibt erst lange nach der Fragestellung Antwort und ist von ausreden nur so gesegnet. Sie kann die Regeln in der Familie nicht befolgen, weil sie die Schulregeln schon lernen
müßte, seit einem Jahr! Oder weil sie sie grad zufällig vergessen habe, oder ch sie ihr nicht zum hundertsten male gesagt hätte usw. Sie gibt oft Antworten auf Fragen, die ich überhaupt
nicht gestellt habe, weint unheimlich schnell, ist ungewöhnlich stur und langsam in Bewegungen, wirft mind. ein mal täglich irgendwas um oder hin……Gläser, Schüsseln usw.
Egal was ich sage, sie tut es grundsätzlich nicht, sondern genau das Gegenteil, manchmal habe ich das Gefühl, daß sie in der geistigen Entwicklung Schritte rückwärts macht. Sie bringt mich damit mehr aus der Fassung, als mein Sohn mit seiner Art.Laut enem Intelligenztest, auf den ich pers. nicht viel gebe, ist sie nicht dumm, und laut test für Gehirnströme ist auch alles ok. Auch sie tut mich ignoriren, nicht ernst und für voll nehmen, sie denkt, sie kann mich runheben, auch wenn ich ihr Konequenzen für ihr Verhalten gebe, ändert das nichts.
Mittlerweile fangen die beiden Kleinsten ( fast 6 Jahre und fast 2 Jahre) an, das Dilemme der beiden Großen mit Hingabe nachzueifern. Die 6 jähr. gibt mir auf die Frage, warum sie ohne
Erlaubnus an die Creme geht und ihre Schwester eincremt, die Antwort, daß sie zur Toilitte gemußt hätte usw. Sie gehorcht absolut nicht, da kann ich machen, was ich will!
Wir leben mit 6 Personen auf 75 qm2, da sind Reglen unerläßlich. Man redet gegen Mauern.
Hunzkommt, daß mein Sohn noch Diabetes bekommen hat, der nur schwer einstellbar ist, undmich viele Nächte wach sitzen läßt, weil er wieder mal unterzuckert, was mir alles mit
meinem Rheuma doch sehr schwerfällt.Mein Sohn geht übrigens auf eine Schule, für verhaltnesauffällige Kinder, die ihm helfen soll.
Ach ja, und meine Fastschwiedermutter meint, Kinder wären Kaiser und dürften alles tun und lassen, Regeln brächten sie nicht, es wären schließlich Kinder, und verhält sich auch so, wenn
si her ist oder babysittet. Wenn ich dann wieder zu Hause bin, ist esdas absolute Chaos, Essen liegt auf den Fußboden, die Kinderzimmer sind komplett im Wohnzimmer verteilt, die
Kinder klatschnaß geschwitzt, und danach noch aufsässiger, als je zuvor. Mit ihr reden hat keinen Sinn, habe ich schon getan, da bin ich dann eine Rabemutter, viel zu streng und werde
blöd angesehen von ihr. Werde ich dann mal richtig böe, weilich die Kinder erziehen möchte, wie ich es gemäß der Krankheiten und unserem Alltag für richtig halte, dann ist sie zutiefst
enttäuscht und heult, us. Sie lebt in einer totalen Scheinwelt. Sie hat den Bezug zur heutigen Realität total verloren, zund ich finde, daß Regeln einfach als Vorbereitung aufs spätere
Leben wichtig sind, denn dort gibt es auch nicht nur das Wort “ Ja“ zu hören.
Nun meine Frage, wie kann ich mich endlich durchsetzen, so daß meine Kinder mich endlich
ernst nehmen, und darauf hören, was ich sage? Erklärungen, Gespräche, Konsequenzen usw, brachten ja nichts. Daß vier Kinder machen, was sie wollen, und mir auf de Nase runtanzen, geht auf Dauer nicht gut, es zehrt enorm an meinen Kräften zu den vielen anderen Dingen hinzu.Ich möche doch nur, daß sie soweit auf mich hören, daß ein geregeltes, harmonisches Zusammenleben möglich ist, und nicht dieses Chaos. Ich will keine Duckmäuser, sie sollen ruhig mal meckern usw. aber nicht jede Minute am Tag.
Was kann ich tun, muß ich einfach strenger weden, damit sie merken, daß ich alles so meine, wie ich sage, oder wie soll ich mich verhalten? Für einen Tipp wäre ich echt dankbar, ich könte es gut gebrauchen…..:-)
Liebe Grüße
A.
Liebe Frau A.,
herzlichen Dank für die anschauliche Schilderung Ihres Familienlebens. Sie haben es nicht ganz leicht mit Ihrer Familie: Vier Kinder (beim ersten waren Sie ca. 21 Jahre alt), eine Scheidung, die nicht bewältigt ist (die Beziehungen zwischen Ihnen, dem Kindesvater und den Kindern wirken sehr belastet), die Krankheiten Ihres Ältesten (wobei Sie wissen müssen, dass „Hyperaktivität“ heute nicht selten eine „Modediagnose“ sein kann. Ist das pädiatrisch-kinderneurologisch mal kompetent untersucht worden?), ein Lebenspartner, den Sie gegenüber den Kindern anscheinend dem leiblichen Vater deutlich vorziehen, Ihr gestörtes Verhältnis zu Ihrer Fastschwiegermutter, der „stille“ Protest Ihrer Tochter gegen Sie (so verstehe ich deren Verhalten)…das alles kommt zusammen und ergibt das Gesamtbild eines wenig erfreulichen Familienlebens. Sie selbst machen auf mich denn auch den Eindruck einer oft schlecht gelaunten, reizbaren und selbstunzufriedenen Frau und Mutter. Ihre Kinder haben sicher oft das Gefühl, dass Sie sie nicht mögen (was natürlich nicht stimmt, aber Sie geben sich wohl oft so). Kein Wunder, wenn die Kinder dann unleidlich reagieren. Auch Ihre Fastschwiegermutter stoßen Sie vor den Kopf mit Ihrer Ungenießbarkeit. Ist es nicht so? Ich glaube, Sie müssen Ihre Einstellung gegenüber Ihren Kindern grundsätzlich überdenken: statt einen Machtkampf zu inszenieren (Sie wollen sich durchsetzen, die Kinder sollen Sie ernst nehmen, schreiben Sie), sollten Sie ernsthaft versuchen, mehr Liebe und Freundlichkeit in Ihrer Familie zu leben. Nur dann nehmen Sie Ihre Kinder „ernst“. Die Frage ist nur, wie Sie das emotional schaffen werden. Wie können Sie selbstzufriedener und innerlich ausgeglichener werden? Das sehe ich als Ihre Hauptaufgabe, die es zu lösen gilt in Zukunft. Dabei wäre auch ganz wichtig, eine bessere Zusammenarbeit mit dem Vater Ihrer Kinder anzustreben, sobald es um die Kinder geht. Haben Ihre Kinder einen guten Kontakt zu ihrem Vater? Unterstützen Sie das möglichst einvernehmlich mit dem Kindesvater? Das ist für Scheidungskinder extrem wichtig, dass ihre Eltern Eltern bleiben trotz Scheidung! Liebe Frau A., ich rate Ihnen, für die Lösung all dieser Probleme fachliche Hilfe in Ihrer regionalen Erziehungs- und Familienberatungsstelle einzuholen. Das ist kostenlos und qualifiziert. Erfragen Sie in Ihrem Jugendamt die Adresse. Ich glaube, dass Sie es sonst alleine vielleicht nicht schaffen.
Mit freundlichem Gruß und den besten Wünschen für Sie und Ihre Familie,
Ihr Dipl.-Psych. H.-R. Schmidt.
7. MEIN KIND KOTET EIN
Sehr geehrter Herr Schmidt,
mit dem Thema Einkoten beschäftige ich mich seit ein paar Jahren. C. |
Liebe C., vielen Dank für Ihren Brief!
Sie stellen in Kürze sehr treffend dar, was wir leider immer öfter erleben müssen: Seelische Pobleme eines Kindes werden mit der Diagnose „ADS“ verkleistert und mit Psychopharmaka übertüncht, wenn man als Eltern nicht aufpasst. Ich finde das gesellschaftlich skandalös und in jedem Einzelfall sehr traurig. Bedeutet es doch, dass man nicht bereit ist, auf die Alarmsignale der Kinder zu hören und ihr seelisches Leid zu verstehen. Umso mehr beglückwünsche ich Sie (und die Lehrerin), dass Sie diesem verführerischen Sog widerstehen.
Sie beschreiben ja sehr anschaulich, dass das Problem Ihres Sohnes in der unverarbeiteten Trennung seiner Eltern zu liegen scheint. Also erscheint es doch folgerichtig, dass Sie ihm nun endlich helfen, mit der Trennung seiner Eltern seelisch abzuschließen. Und das schaffen Sie wahrscheinlich derzeit nicht ohne professionelle Unterstützung. Immerhin dauert das Problem ja schon mehrere Jahre an, ohne dass Ihre bisherigen Bemühungen echte Abhilfe schaffen konnten.
Ich empfehle Ihnen deshalb, in Ihrer regionalen Erziehungsberatungsstelle nach einer Trennungs- und Scheidungsberatung zu fragen. Sie und Ihr getrennter Mann sollten dort gemeinsam mit Ihrem Sohn eine kostenfreie Familientherapie buchen, in deren Verlauf Vater, Mutter und Sohn gemeinsam herausfinden, wie Sie als Eltern (denn Eltern bleiben Eltern, trotz Trennung und Scheidung!) zusammenhelfen können, damit Ihr Sohn die Trennung seiner Eltern endlich akzeptieren kann und seinen Seelenfrieden wiederfindet. Ich möchte es noch einmal betonen, denn darin liegt die Heilung: Eltern bleiben Eltern, auch bei Trennung. Wie Sie einen konfliktarmen Umgang mit Ihrem Sohn leben können, sollten Sie gemeinsam erarbeiten.
Mit besten Wünschen Ihr
Dipl.-Psych. H.-R. Schmidt
8. MEIN SOHN BEKOMMT SEIT 4 JAHREN RITALIN
Sehr geehrter Herr Schmidt bei meinem Sohn 10J. wurde vor einiger Zeit die Diagnose „ADHS“ gestellt.ER bekommt seit 4 Jahren Ritalin, was für seine schulischen Leistungen sehr positv ist.Doch außer der Verordnung des Medikaments bekommen wir keine Hilfestellung. Auf meine Frage nach psychologischer Betreuug bekam ich nur die Antwort: gehen sie doch zu einer Selbsthilfegruppe. Mein Sohn ist eigentlich ein fröhliches Kind, das Freunde hat, in der Klassengemeinschaft beliebt ist und auch im Sportverein aktiv ist. Aufgrund seiner „Zappeligkeit“ passieren ihm häufig Mißgeschicke, die ihm auf den ersten Blick nicht so viel auszumachen scheinen. Doch es gibt immer wieder Situationen, die mir zeigen wie sehr er an sich verzweifelt.(„Ich bin ein Trottel, ich mache immer alles kaput…“)Dazu kommt, dass er seit einiger Zeit unwillkürliche Gesichtsbewegungen hat(Nebenwirkungen vom Ritalin???) und von einigen Klassenkameraden deswegen gehänselt wird.Außerdem hat sich die Motorik seiner Hände verändert. Ergotherapie brachte nicht viel.Ich mache mir grosse Sorgen dass sein Selbstwertgefühl immer mehr leidet und möchte ihm gerne helfen.Aber leider habe ich keine Idee mehr an wen ich mich wenden könnte. Die Erziehungsberatungsstelle der Caritas versprach sich zu melden, aber das war letztes Jahr im April. Die Neuropädiatrie sagt kümmern sie sich selber.. Mein Sohn braucht dringend psychologische Hilfe. Es wäre schön, wenn sie mir Adressen im Raum Gelsenkirchen nennen könnten. Vielen Dank T |
Liebe T,
vielen Dank für Ihren Brief! Leider schildern Sie eine Versorgungssituation, die skandalös und bei Problemen im Umfeld von „ADHS“ weit verbreitet ist. Das Verhalten Ihres Kinderarztes ist inkompetent, wenn er Ihnen bisher nicht geholfen hat, eine multimodale Therapie zu installieren, bei der Ritalin nachrangig ist.
Viele Eltern werden mit Psychopharmaka fürs Kind abgefertigt und ansonsten in der Luft hängen gelassen. Eine Selbsthilfegruppe allein ist kein guter Rat, schon allein deshalb, weil dort keine professionelle Hilfe vorgehalten wird. Im Gegenteil, dort wird oft ziemlich schlichtes Pseudowissen über „ADHS“ einseitig propagiert.
Was die Caritas- Erziehungsberatungsstelle anbelangt würde ich mich bei deren Träger beschweren. Solche extremen Wartezeiten sind ja völlig unzumutbar. Gerade Erziehungsberatungsstellen sollen ohne Wartezeiten arbeiten. Oder hat man Sie dort schlicht vergessen? Haben Sie dort nachgehakt und es dringend gemacht?
Auch was Sie von der Neuropädiatrie berichten, kann man kaum glauben. Stimmt das denn wirklich so? Auch in diesem Falle würde ich mich dort beschweren, dass man Sie so abfertigt. Das müssen Sie sich wirklich nicht bieten lassen.
Ihr Sohn bekommt schon viel zu lange Psychopharmaka. Wenn wirklich nichts Anderes mehr hilft, kann man Ritalin zwar vorübergehend vertreten, aber nicht vier Jahre lang bei einem Schulkind. Die Tics und die veränderte Motorik können Folgen der jahrelangen Medikation sein. Deshalb sollten Sie in Absprache mit Ihrem Arzt Ritalin versuchsweise längere Zeit absetzen.
Sie schreiben leider nicht ausführlicher, was die Hintergründe für die ADHS-Diagnose waren, auch über Ihr Familienleben höre ich nichts.
„Zappeligkeit“ ist ein vieldeutiger Begriff. Wenn Ihr Sohn sich beklagt, immer alles kaputt zu machen, könnte z. B. auch eine fein- oder grobmotorische Störung vorliegen. Wurde das abgeklärt? Wenn nicht, sollten Sie rasch ein Sozialpädiatrisches Zentrum aufsuchen. Oder Sie wenden sich an eine der folgenden Erziehungsberatungsstellen, in denen man Sie an die richtige Stelle weiterleiten kann, die in Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle noch einmal ganzheitlich abklärt, was die wirkliche Ursache für die „Zappeligkeit“ ist. Erst dann kann man spezifisch helfen. In der Erziehungsberatungsstelle gibt es auch kinder- und familientherapeutische Hilfe für Sie und Ihren Sohn. Das Selbstwertgefühl Ihres Sohnes hat leider schon genug Schaden genommen. „ADHS“ und ausschließlich Pillen sind jedenfalls eine ganz schlechte Lösung.
Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern
Rotthauser Str. 48
45879 Gelsenkirchen
Tel.: (02 09) 1 51 94 Fax: (02 09) 1 53 61
Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern
St.-Urbanus-Kirchplatz 5
45894 Gelsenkirchen
Tel.: (02 09) 1 69 41 88 Fax: (02 09) 1 69 41 87
Alles Gute, Ihr
Dipl.-Psych. H.-R. Schmidt
9. ICH BRAUCHE DRINGEND HILFE
Ich brauche dringend Hilfe. Wir wissen nicht mehr wohin ich mich wenden kann. Unser Sohn ist 7und in der Schule. Er ist mit seinen 134 cm sehr groß und vom Wissen schon weiter als seine Klassenkameraden. Schon im Kindergarten hatte er Probleme einzusehen, warum er ständig auf andere (vorallem Jüngere) Rücksicht nehmen sollte. Irgendwann hat er angefangen sich Luft zu machen auch den Unmut gegenüber den Erziehern klar zu stellen. Da fing es an, dass er als ADHS Kind abgestempellt wurde. In den ersten 1,5 Monaten in der Schule war er ganz lieb und ruhig, ist den Lehrern, wie sie mir sagten, nicht aufgefallen. Mein Sohn hingegen sagte mir oft, dass er gehänselt wird und sie ihn ärgern würden. Die Lehrer haben es so abgetan. Darauf hin riet ich ihm (mein Fehler) er solle sich wehren, er sei doch größer und kräftiger. Als er anfing dies zu tun, fing auch wieder der Stress mit dem Vorurteil ADHS an. Und da je fast alle Symtome auf irgendeine Art auf jedes Kind passen … Laut dem Fragebogen den ich vom Neurologen für die Schule bekommen habe und die Lehrerin dazu noch sagt, sie wüßte wie man so einen Fragebogen ausfüllt bei ADHS Kindern, habe ich das Gefühl verloren zu haben. Für die Lehrer ist es doch am bequemsten ein Kind damit abzustempeln, als nach den eigentlichen Ursachen zu suchen und die Neurologen verdienen ja daran. Bitte helfen Sie mir !!! Wie kann ich beweisen, dass mein Kind diesen „Stempel“ nicht verdient. K. |
Hallo,
vielen Dank für Ihren Brief! Bei den Schwierigkeiten, die Sie und Ihr Sohnemann zu haben scheinen, ist ein somatisch orientierter Neurologe aus meiner Sicht der Dinge nicht die erste Wahl, zumal Sie doch selber offenbar „ADHS-kritisch“ eingestellt sind. Warum suchen Sie angesichts dieser aus meiner Sicht gesunden Grundeinstellung ausgerechnet einen somatisch orientierten Neurologen auf und lassen sich diese zweifelhaften Fragebögen aushändigen, die Sie dann auch noch der Lehrerin übergeben? Verhalten Sie sich da nicht gegen Ihre eigene Überzeugung? Sie gehen freiwillig einen Weg, den Sie gar nicht möchten? Das müssen Sie doch gar nicht.
Ich rate Eltern, die nicht an „ADHS“ und Ritalin glauben möchten, zuerst in eine Erziehungsberatungsstelle zu gehen und dort einen Diplompsychologen oder Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten zu verlangen, der mit Ihnen und Ihrem Sohn nach den seelischen bzw. psychosozialen Ursachen des Verhaltensproblems sucht. Das Problem ist ja nicht medizinisch oder neurologisch begründbar, sondern psychologisch. Wahrscheinlich hat Ihr Sohn psychosoziale Anpassungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit seiner Körpergröße.
Lassen Sie sich in der Beratungsstelle bescheinigen, dass man eine Familienberatung oder Kinderpsychotherapie wegen der Verhaltensprobleme des Sohnes macht, und diese Bescheinigung gibt man dann der Schule, verbunden mit der Bitte, mit der Beratungsstelle zusammenzuarbeiten. Auf die pseudomedizinische ADHS-Schiene muss man sich als Eltern gegen seinen Willen überhaupt niemals einlassen. Dazu kann Sie niemand zwingen. Sie können jederzeit ganz selbstbewusst in der Schule vertreten, dass Sie an die Modediagnose „ADHS“ nicht glauben, sondern in der Beratungsstelle psychotherapeutisch vorgehen. Sagen Sie, Sie hätten eine viel bessere Idee, nämlich die zwischen Familie, Schule und Beratungsstelle gemeinsame Hilfe und Suche nach Lösungen der Verhaltensprobleme. Dem kann und wird sich Schule dann sicher nicht entziehen.
Ich gehe natürlich davon aus, dass Sie dann in der Beratungsstelle auch ganz ernsthaft nach Lösungen suchen werden, auch wenn es familiär ans Eingemachte (sprich mögliche Erziehungsstile, Konflikte, Beziehungsprobleme etc.) geht und mühsam oder unbequem sein kann. Nur das ist die Alternative zu Ritalin.
Beenden Sie die Konsultation des Neurologen telefonisch. Verlangen Sie von der Lehrerin, dass sie die Fragebögen vernichtet und nicht an den Neurologen schickt. Und schlagen Sie den von mir vorgeschlagenen Weg ein.
Und bedenken Sie bitte bei allem: Sie haben jeden Schritt selber in der Hand. Sie sind der Boss, wenn es um Ihr Kind geht. Niemand kann Ihnen einen Weg aufzwingen, den Sie nicht gehen wollen, vor allem, wenn Sie einen besseren haben.
Bleiben Sie stark, wünscht Ihnen
Dipl.-Psych. Hans-Reinhard Schmidt
10. ADHS: EIN PFLEGEFALL ?
Guten Tag, Herr Schmidt,
mit Interesse habe ich Ihre kritischen Beiträge zu ADHS gelesen und hoffe nun auf einen Rat von Ihnen. Mein Mann hat eine 21-jährige Tochter mit ADHS, welche seit Jahren eine Therapie in namhafter Praxis erfolglos durchlebt. Sie leidet an Depressionen, Sozialphobie, schneidet sich, und ähnliches, lebt aber nicht in unserem Haushalt, sondern mit ihrem Freund in der ehemaligen Familienwohnung. Nach dem Abitur im letzten Jahr wartet sie nun auf einen Studienplatz. Einer Arbeit kann sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht nachgehen und möchte es auch nicht. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, Psychologie zu studieren und muss nun 4 bis 5 Jahre auf den Studienplatz warten, da sie den nc nicht erfüllt. Ihren Lebensunterhalt lässt sie komplett vom Vater bestreiten. Die Mutter leidet gleichfalls an ADHS und ist bereits seit mehreren Jahren im vorzeitigen Ruhestand. Die Tochter mahnt den Vater dahingehend, dass es ja wohl nicht sein Wille sein kann, dass sie ihren Lebenstraum nicht verwirklicht und ihr ganzes Leben darüber unglücklich ist. Der Vater wendet den größten Teil seines Einkommens für den Unterhalt seiner Tochter auf und verzichtet auf eigene Ansprüche. Nun meine Frage: 1. Kann ich davon ausgehen, dass sich das Leid seiner Tochter zeitlich unbegrenzt fortsetzt, und somit ein Pflegefall für ihn wird? |
Guten Tag,
und vielen Dank für die anschauliche Schilderung Ihres Problems! ADHS, besonders bei Erwachsenen, ist derzeit eine absolute Modediagnose, die gar nichts darüber aussagt, was die wirklichen psychischen Probleme eines Menschen sind. Sie und Ihre weitere Familie sollten deshalb darangehen, endlich herauszufinden, wie die wirklichen Beziehungsprobleme zu verstehen sind, die alle Personen der früheren Familie Ihres Mannes chronisch zu haben scheinen. ADHS ist dabei nur eine Scheinantwort. Deshalb sind Ihre Sorgen bezüglich eines „Pflegefalls“ völlig abwegig und unbegründet.
Nicht nur die Tochter und ihre Mutter, auch Ihr Mann verhält sich nämlich aus meiner Sicht gestört, wenn er die „Krankheit“ seiner Tochter dadurch fördert, dass er ihre Lebensuntüchtigkeit und ihren sekundären Krankheitsgewinn finanziert. Warum macht er das? Aus schlechtem Gewissen? Jedenfalls hilft er seiner Tochter doch nicht damit, dass er sie aushält, so dass sie abhängig und traumatisch fixiert bleibt. Und was soll die sogenannte „Therapie“ der Tochter sein, die jahrelang erfolglos ist? Ich vermute, Ihr Mann und seine Tochter leiden unter einem unbewältigten früheren Familientrauma, das zunehmend auch in Ihre jetzige Familie hinein wuchert und auch Sie und Ihre Ehe gefährdet.
Mein Rat: Die frühere Familie Ihres Mannes sollte eine Familientherapie machen, damit man endlich gemeinsam herausfindet und aufarbeitet, was sich wirklich an seelischem Leid mit der familiären Vergangenheit verbindet und seit Jahren gemeinsam verdrängt, also unbewältigt lässt, auch mittels der Pseudodiagnose „ADHS“. Es ist optimal, wenn Ihr Mann gemeinsam mit seiner Tochter an der Familientherapie teilnimmt, am besten auch mit der Mutter der Tochter. Sie selber sind dabei eher im Hintergrund, da Sie ins frühere Familientrauma ja gar nicht verwickelt sind. Aber gerade deshalb sind gerade Sie für die Verarbeitung der früheren Probleme Ihres Mannes sehr hilfreich, weil Sie das Ganze mit Abstand sehen. Das zeigt ja auch Ihre hilfreiche Mail an einen Ratgeber wie mich, mit der Sie eine Hilfe sozusagen von außen einleiten. Der/die FamilientherapeutIn wird entscheiden, in welcher Form Sie einbezogen werden sollten.
Wenn Sie Empfehlungen wünschen für eine solche qualifizierte Familientherapie, dann melden Sie sich bitte bei mir.
Mit freundlichem Gruß,
Dipl.-Psych. Hans-Reinhard Schmidt
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