ADHS! ODER WAS?

Ü𝗯𝗲𝗿 𝗿𝗶𝗰𝗵𝘁𝗶𝗴𝗲 𝘂𝗻𝗱 𝗳𝗮𝗹𝘀𝗰𝗵𝗲 𝗗𝗶𝗮𝗴𝗻𝗼𝘀𝗲𝗻

Ein Gütekriterium für eine medizinische oder psychologische Diagnose ist ihre Gültigkeit (Validität). Es geht dabei um die Frage, ob eine Diagnose dasjenige misst, was sie zu messen vorgibt; hier also darum, ob eine ADHS-Diagnose tatsächlich ADHS misst. Diese Frage kann man auf zwei Ebenen beantworten:

1. Interne Validität: Hat sich die Diagnostik an vorgegebene Diagnoseregeln gehalten?

2. Externe Validität: Deckt sich die Diagnose mit externen Kriterien (objektive Belege für das, was gemessen werden soll?).

𝟭. 𝗭𝘂𝗿 𝗶𝗻𝘁𝗲𝗿𝗻𝗲𝗻 𝗩𝗮𝗹𝗶𝗱𝗶𝘁ä𝘁
Bei der ADHS-Diagnostik gilt seit Mai 2018 die „interdisziplinäre, evidenz- und konsensbasierte S3-Leilinie für die ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“. Wenn eine Diagnostik sich an diese Leitlinien gehalten hat, wäre sie also intern valide.

Aber halten sich Kliniker überhaupt an diese Leitlinien? Dieser Frage sind australische Forscher um Nguyen T. in einer Metaanalyse nachgegangen. Sie fanden, dass in fast 40 % der Fälle gar keine, und in den anderen Fällen nur kleine, unwesentliche Berücksichtungen festzustellen waren. Kliniker halten sich also gar nicht an diese Leitlinen, wohl auch deshalb, weil die federführenden Wissenschaftler, die sich auf diese Leitlinien geeinigt hatten, zu über 67 % Interessenkonflikte mit der Pharmaindustrie hatten, alle anderen Koordinatoren hatten ebenfalls solche Konflikte. In einer unabhängigen Bewertung der Leitlinie hinsichtlich solcher Interessenkonflikte erreichte sie denn auch nur 6 von 18 möglichen Punkten.

𝟮. 𝗭𝘂𝗿 𝗲𝘅𝘁𝗲𝗿𝗻𝗲𝗻 𝗩𝗮𝗹𝗶𝗱𝗶𝘁ä𝘁
Selbst wenn die Diagnose intern valide wäre, ist damit nichts darüber ausgesagt, ob sie auch extern valide ist. Misst sie wirklich eine spezifische neurophysiologische Disposition im Sinn einer medizinischen Krankheit? Solange es keine objektiven, spezifischen Biomarker für ADHS gibt, lässt sich diese Frage gar nicht beantworten. Oder woran soll man die Validität extern messen? Die Diagnose beruht ja auf nichts anderem als auf subjektiven und unspezifischen Verhaltensbeschreibungen.

Die Symptomatik findet sich denn auch bei ca. 70 anderen Auffälligkeiten und Störungen, die differentialdiagnostisch ausgeschlossen gehören. Erwachsene mit der Diagnose ADHS zeigen, wenn man genauer hinschaut, bis zu 12 andere psychiatrische Diagnosen. Forscher um Dimitrios Adamis fanden bei 80% der ADHS-Erwachsenen drei und mehr Persönlichkeitsstörungen, die bei der Diagnostik eigentlich ausgeschlossen werden müssen. Wenn Sie einmal den Abschnitt über die Differentialdiagnostik bei ADHS in den o. g. Leitlinien lesen, werden Sie verwirrt feststellen, wie beliebig eine ADHS-Diagnose zustande kommen kann.

Wir können also feststellen, dass sich über die Validität einer ADHS-Diagnose nichts Genaues sagen lässt. Zu behaupten, sie sei valide, grenzt an Wahrsagerei.

Man kann die Diagnose auch würfeln.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31732189…

Autor: adhskritik

Hans-Reinhard Schmidt, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, Gutachter, Buchautor, Supervisor, Dozent.

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