ADHS-Aberglaube 38: ADHS WIRD VERERBT. STIMMT DAS?

Von Hans-Reinhard Schmidt

Nach wie vor glauben ADHS-Fans, dass ihre geliebte Krankheit familiär vererbt sei. So behauptet Prof. Dr. Marcel Romanos, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Würzburg, ADHS sei zu 70 – 80 % vererbt. Prof. Dr. Schleim von der Universität Groningen sagt dazu: „Diese Antwort ist auf so viele Weisen falsch, dass man sich wünschen würde, sie käme nicht von einem Medizinprofessor“ (1)

Man sollte am besten ganz aufhören, von Erblichkeit zu reden, so Schleim weiter. „Dieses Konstrukt lädt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur zu Missverständnissen ein. Keinesfalls ist damit gesagt, dass ADHS zu 70 bis 80 Prozent genetisch determiniert ist, auch wenn es die meisten so verstehen. Es geht schlicht um die Erklärung phänotypischer Varianz (Unterschiede) durch genotypische Varianz – die aber wiederum selbst Eigenschaft der Umwelt ist“ (1). Auch der renommierte US-Wissenschaftler Jay Joseph hat betont, dass sich die Ergebnisse der Verhaltensgenetik allesamt auch mit Umwelteinflüssen erklären lassen (2). „Damit ist gezeigt, dass das Erblichkeitsmaß selbst von der Umwelt abhängt, in der es erhoben wurde. Es dennoch als Maß für genetische Determination zu verstehen, ist wissenschaftlich fehlerhaftes Wunschdenken“, so Prof. Schleim (1).

Auch Martin Reuter, Professor für Biologische Psychologie in Bonn, behauptet öffentlich, eine Erblichkeit von 0,7 für Depressionen bedeute, „dass das Auftreten einer Depression zu 70 Prozent genetisch bedingt ist und nur zu 30 Prozent von der Umwelt beeinflusst wird“ (1).

Prof. Schleim: „Solche Zahlen sind vielleicht nützlich, wenn man für einen Forschungszweig Eindruck schinden will, der seit Jahrzehnten viel verspricht – aber praktisch nichts liefert. Die Darstellung Reuters ist aber grundlegend falsch. Unabhängig davon tendiert der Informationswert von Erblichkeitsschätzungen gegen null… In den Worten von David Moore und David Shenk von den Universitäten in Claremont beziehungsweise Iowa: „Der Begriff ‚Erblichkeit‘, wie er heute in der humanen Verhaltensgenetik verwendet wird, ist einer der am meisten irreführenden in der Wissenschaftsgeschichte. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung sagt uns das Maß der Erblichkeit einer Eigenschaft nicht, wie ‚genetisch erblich‘ diese Eigenschaft ist“ (1).

Immer mehr Forscher plädieren deshalb dafür, den Begriff „Erblichkeit“ aufzugeben.

(1) https://www.heise.de/…/30-Jahre-Aufmerksamkeitsstoerung-ADH…

(2) Jay Joseph: The Missing Gene. Psychiatry, Heredity and the fruitless Search for Genes. Algora, New York 2006.

Autor: adhskritik

Hans-Reinhard Schmidt, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, Gutachter, Buchautor, Supervisor, Dozent.

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