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ADHS WIRD UMBENANNT

𝗛𝗙𝗦: 𝗗𝗔𝗦 𝗛𝗨𝗖𝗞𝗟𝗘𝗕𝗘𝗥𝗥𝗬-𝗙𝗜𝗡𝗡-𝗦𝗬𝗡𝗗𝗥𝗢𝗠

Es gibt ja derzeit Bestrebungen, den Begriff ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivititätsstörung) irgendwie durch eine attraktivere Bezeichnung zu ersetzen, weil der bisherige Begriff einerseits ein unmögliches Monstrum darstellt, wissenschaftlich unbefriedigend sei sowie gesellschaftlich veralbert werde.

Wir schlagen deshalb vor, die Bezeichnung HFS (Huckleberry-Finn-Syndrom) einzuführen, und zwar aus folgenden überzeugenden Gründen:

– Jedweder verbindet mit Huckleberry Finn und seinem Spezi Tom Sawyer positive Kindheitserinnerungen

– Die Symptomatik deckt sich zu 180% mit der des ADHS-Konstrukts, weshalb alle 150 000 bisherigen Studien zu ADHS ihre Gültigkeit behalten

– Das Syndrom wird von Mark Twain schon früher beschrieben als Heinrich Hoffmanns Zappelphilipp

– Die ADHS-Symptomatik ist so unspezifisch, dass es eigentlich egal ist, wie man sie benennt.

Wir haben unseren Vorschlag an die BVfdVgAKbB (Bundesvereinigung für die Vereinfachung und gesellschaftliche Akzeptanz von Krankheitsbezeichnungen in Beratzhausen) weitergeleitet und hoffen nun auf eine Adaption innerhalb der nächsten 25 Jahre.

https://gedankenwelt.de/das-huckleberry-finn-syndrom/

RITALIN UND PANZERSCHOKOLADE

Seit jeher werden Amphetamine und Stimulanzien als Leistungsdoping und Neuroenhancement verwendet. Was man heute als Crystal oder Speed bezeichnet, hieß im Dritten Reich Pervitin und wurde bei der Reichswehr offiziell und massenhaft eingesetzt (z.B. als Schokolade), um die Soldaten lange wach und aufmerksam zu halten. Die Schnelligkeit, mit der die Wehrmacht z.B. Polen überrannte, führt man auf den Einsatz von Pervitin zurück. Viele damaligen Soldaten waren pervitinsüchtig, einer der bekanntesten war Heinrich Böll.

Aber auch außerhalb des Militärs sind und waren Drogen immer schon weit verbreitet. Bis 1906 enthielt Coca-Cola tatsächlich Kokain, das damals sehr beliebt war, auch Sigmund Freud probierte es eine zeitlang aus. Kaffee, Nikotin, Alkohol sind heute legale Drogen. Um illegalen Drogen einen Markt zu öffnen, werden sie nicht selten als Medikamente definiert und anschließend von Ärzten gegen Krankheiten verschrieben, im Falle von Methylphenidat (z.B. Ritalin) sogar gegen eine extra dafür ausgedachte Krankheit „ADHS“.

In Wahrheit handelt es sich aber auch in solchen Fällen um nichts anderes als medizinisch legalisiertes Doping bzw. Neuroinhancement, denn Ritalin wirkt auch bei Menschen ohne „ADHS“. Eine aktuelle Forschungsstudie von Lin Li u.a. belegt die leistungssteigernde Wirkung des Amphetaminderivats Methylphenidat damit, dass es die Arbeitsfähigkeit der Konsumenten (sprich: die Verkürzung ihrer Langzeitarbeitslosigkeit) erhöhte. In ADHS-Lobbykreisen feiert man nun dieses Ergebnis als Beleg für die heilende „Therapie“ von „ADHS“.

Dabei wiederholt sich im Prinzip nur das, was die ehemalige Panzerschokolade schon konnte.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35476068/

ADHS: WANN GIBT ES ENDLICH EINEN BIOMARKER?

Wie fänden Sie es, wenn man bei Ihnen eine Krebsdiagnose allein mittels eines subjektiven Fragebogens stellen würde, also ohne exakte Untersuchung von Biomarkern z.B. in Form von pathologischen Zellstrukturen? Eine Horrorvorstellung, nicht wahr?

Bei der ADHS-Diagnostik muss man sich aber mit Fragebögen und subjektiven Einschätzungen begnügen, weil es keine objektiven, zuverlässigen und validen Biomarker gibt. Da hilft es auch nicht, wenn die ADHS-Vertreter eine neuere Studie von DG Amen u.a. zitieren, mittels derer sie Laien einreden, man habe nun endlich einen Biomarker gefunden. Das erinnert an die vergangenen Sensationsmitteilungen, denen zufolge man immer wieder angeblich das ADHS-Gen gefunden hatte. Dass es sich bei der Suche nach dem Biomarker auch wieder um eine Falschdarstellung handelt, wird aus Folgendem deutlich:

𝗗𝗶𝗲 𝗦𝘁𝘂𝗱𝗶𝗲
DG Amen u.a. haben in ihren eigenen Kliniken eine Gruppe von Patienten erstellt, die „reine ADHS“ hatten ohne eine Komorbidität oder andere psychiatrische Diagnose. Diese Gruppe haben sie mit einer kleinen, mit Medien gesammelten und deshalb zweifelhaften Kontrollgruppe von Menschen ohne ADHS und andere psychiatrische Diagnosen mittels funktioneller SPECT verglichen (dabei wird eine Radiopharmakon-Injektion gegeben, um dann Schnittbilder des Gehirns anzufertigen).

Die Forscher haben Unterschiede in verschiedenen Hirnarealen zwischen den Gruppen gefunden, die ADHS als Biomarker kennzeichnen könnten. Aber stimmt das?

𝗞𝗲𝗶𝗻𝗲 𝗔𝘂𝘀𝘀𝗮𝗴𝗲 𝘇𝘂𝗿 𝗞𝗮𝘂𝘀𝗮𝗹𝗶𝘁ä𝘁
Die Studie ist zunächst einmal retrospektiv und kann allein schon deshalb keine Aussage zur Kausalität von Hirnbesonderheiten und ADHS-Symptomatik machen. Dass Hirnbesonderheiten der (diagnostische) Grund für ADHS sind, lässt sich mit einem solchen Studiendesign gar nicht feststellen. Es kann ja plausibler sein, dass unterschiedliche Lebensbedingungen (sprich Hirnnutzungsbedingungen) die Ursache für Verhaltens- und Hirnanpassungen sind (sprich Epigenetik). Man kennt ja das berühmte Beispiel der veränderten Gehirne von Londoner Taxifahrern, die nicht Taxifahrer geworden waren, weil sie ein anderes Gehirn hatten, sondern bei denen die jahrzehntelange Kurverei im komplizierten Londoner Straßennetz das Gehirn verändert hatte. Keine Krankheit also, sondern ein schönes Beispiel für die wunderbare Plastizität unseres Gehirns.

𝗠𝗮𝗻𝗴𝗲𝗹𝗵𝗮𝗳𝘁𝗲 𝗔𝘂𝘀𝘀𝗰𝗵𝗹𝘂𝘀𝘀𝗱𝗶𝗮𝗴𝗻𝗼𝘀𝘁𝗶𝗸
Zum anderen hat die Studie eine mangelhafte Ausschlussdiagnostik betrieben, als sie für ihre Versuchsgruppe „reines ADHS“ gesucht hat. Die Autoren stellen selber fest, dass bei ADHS Komorbidität die Regel ist und „reines“ ADHS die Ausnahme. Deshalb muss man viel mehr mögliche ADHS-Ursachen als lediglich sieben psychiatrische ausschließen, als es die Autoren getan haben. Es gibt viel mehr einschlägige psychiatrisch-psychologische Störungen, und somatische Ursachen haben sie überhaupt nicht ausgeschlossen (z.B. Schilddrüsenstörungen und vieles andere). Insofern ist die ADHS-Diagnostik der Studie völlig unspezifisch, und damit die gesamten Ergebnisse.

Generell kann man ADHS als spezifische Krankheit ja sowieso nur mittels eines Vergleichs mit anderen Störungen, nicht mit „Normalos“, identifizieren. Das hat diese Studie versäumt.

𝗩𝗲𝗿𝘀𝘂𝗰𝗵𝘀𝗽𝗲𝗿𝘀𝗼𝗻𝗲𝗻 𝘂𝗻𝘁𝗲𝗿 𝗣𝘀𝘆𝗰𝗵𝗼𝗽𝗵𝗮𝗿𝗺𝗮𝗸𝗮
Besonders problematisch ist, dass die Versuchsgruppe unter dem Einfluss von Psychopharmaka stand. Waren die Hirnbesonderheiten wirklich Ausdruck von ADHS, oder nicht nur von Psychopharmaka? Dieser Verdacht entwertet das Untersuchungsergebnis zusätzlich gravierend.

Die Autoren betonen abschließend selbst, dass ihre Studie mit „reinem“ ADHS angesichts der massiven Komorbidität bei ADHS nicht ausreicht, um einen soliden Biomarker zu finden. Zitat: „Daher reicht eine Studie über reines ADHS nicht aus, um einen klinisch nützlichen bildgebenden Biomarker für ADHS zu identifizieren.“

𝗔𝗠𝗘𝗡
DG Amen ist bekannt für seine jahrzehntealten, verbiesterten Versuche, eine hirnfunktionelle Ursache für ADHS zu finden, aber alle sind im biologistischen Nirwana verschwunden. Von Epigenetik und Neuroplastizität hat er noch nie gehört und mit den Patienten seiner eigenen Kliniken amortisiert er seine SPECT-Apparate.

Interessenkonflikt
Da alle Versuchspersonen und Forscher aus Amen-Kliniken stammen, kann ein grundsätzlicher Interessenkonflikt nicht ausgeschlossen werden. Ein Co-Autor ist Präsident und Haupteigentümer von Synaptic Space, einem Beratungsunternehmen für Neuroimaging. Ein weiterer Co-Autor der Studie ist der alleinige Eigentümer von Amen Clinics, einer Gruppe von neun neuropsychiatrischen Kliniken, die Gehirn-SPECT-Bildgebung durchführen. Finanzielle Interessen sind damit sicherlich verbunden.

𝗙𝗔𝗭𝗜𝗧
Man muss damit aufhören, Laien wissenschaftliche Halbgarheiten als Fortschritte einzureden. Es bleibt bei dem Zitat von L. Furman: „Es ist unwahrscheinlich, dass ADHS eine spezifische Krankheit ist“. Ohne Biomarker. Amen.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34899414/

ADHS: WAS IST DAS?

von Dr. med. Lydia Furman, Cleveland

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) wird als die meistverbreitete neuropsychologische kindliche Störung dargestellt. Wir bezweifeln aber, dass ADHS eine Krankheit per se ist. Stattdessen handelt es sich vielmehr um eine Ansammlung von Symptomen aller möglichen emotionalen und psychologischen Störungen und/oder Lernschwierigkeiten. Immer mehr Kinder, vor allem Jungen, werden mit ADHS diagnostiziert und ganz simpel mit Stimulanzien behandelt. Eine sorgfältige Sicht der wissenschaftlichen Studien lässt an diesem Zustand Bedenken aufkommen:

Die Kernsymptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität sind nicht spezifisch für ADHS. Andere sog. komorbide psychiatrische Diagnosen und Lernprobleme wie Depressionen und Ängste überschneiden sich in der Symptomatik zu 12 bis 60 Prozent mit ADHS. Dazu kommen diagnostische Probleme und die Erfolge evidenzbasierter Behandlungsmethoden ohne Einsatz von Psychostimulanzien.

Es gibt keinen zuverlässigen neuropsychologischen Test für ADHS. Strukturelle und funktionelle neurologisch-bildgebende Verfahren konnten keinerlei spezifische Ätiologie entdecken. Ein eindeutiger genetischer Marker konnte ebenso wenig gefunden werden, und Erblichkeitsstudien sind mit familiären Umweltfaktoren konfundiert. Die Gültigkeit der revidierten Conners-Skala wurde inzwischen ernsthaft in Frage gestellt, Eltern- und Lehrerfragebögen für Schulkinder sind häufig diskrepant und legen den Schluss nahe, dass der Gebrauch subjektiver, mit Einschätzskalen oder Interviews erhobener Daten keine zuverlässige diagnostische Grundlage abgibt. Studien, die das Verhalten unter Stimulanziengabe erforschten, zeigten keine Unterschiede zwischen ADHS- und Nicht-ADHS-Kindern.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die derzeit herrschende Lehre, ADHS sei eine spezifische neuropsychologische Krankheit, einer genaueren wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhält. Wir müssen stattdessen die erzieherischen, psychologischen, psychiatrischen und familiären Bedürfnisse der Kinder besser berücksichtigen, um ihnen gerecht zu werden.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16417850/

SCHLAFEN ADHSler SCHLECHT?

𝗦𝗖𝗛𝗟𝗔𝗙𝗘𝗡 𝗔𝗗𝗛𝗦𝗹𝗲𝗿 𝗦𝗖𝗛𝗟𝗘𝗖𝗛𝗧?

Ein aktuelles Beispiel für die methodisch chronisch schlechte ADHS-Forschung liefert der Psychiater Dr. Martin Winkler auf einer seiner Webseiten (auf der er nebenbei um Kaffeespenden für sich bittet). Er behauptet, ADHSler würden schlechter schlafen als Nicht-ADHSler. Dabei unterstellt er eine Kausalität, der zufolge die ADHS die Ursache für die Schlafstörungen sei.

Genau dieser Fehler passiert in der ADHS-Forschung regelmäßig: Aus irgendwelchen gleichzeitigen Beobachtungen liest man einseitig eine Kausalität heraus, die der eigenen Theorie gelegen kommt. Andere Erklärungen werden erst gar nicht zugelassen.

Denn gleichzeitige Beobachtungen können sich ja immer wechselseitig bedingen, oder sie bedingen sich gar nicht, sondern sind durch etwas Drittes bedingt.

Die Kausalität kann deshalb natürlich auch so aussehen: Menschen mit chronischen Schlafstörungen sind unaufmerksamer, unruhiger, weniger leistungsfähig etc. Nicht, weil sie ADHS haben, sondern weil sie schlecht schlafen. Der Grund für ihre Schlafstörung liegt nicht in ihrer ADHS, sondern in vielerlei anderen Hintergründen, wie Sorgen, Alkohol, organische Krankheit, etc. Schlafstörungen sind multikausal.

Um diese Kausalität zu verstehen, braucht es das Konstrukt ADHS gar nicht. Aber genau deshalb wird sie in der ADHS-Forschung und bei Dr. Winkler nicht erwähnt, denn was täte man ohne ADHS?

Man mag ADHS eben!

135 JAHRE AMPHETAMIN

Ritalin wirkt im Gehirn wie Kokain

Heute vor 135 Jahren, am 18. Januar 1887, wurde vom rumänischen Chemiker Lazar Edeleanu ein Stoff „erfunden“, der  jahrelang gegen Asthma und Adipositas eingesetzt wurde, bis man seine psychotrope Wirkung als Droge entdeckte. Erst seit dem nannte man ihn „Amphetamin“.  Wegen seines Suchtpotenzials und seiner Nebenwirkungen wird der Stoff heute medizinisch nur noch zur Behandlung der Narkolepsie sowie der „ADHS“ verwendet. In der Drogen- und Dopingszene ist er sehr verbreitet. Erst kürzlich hat eine Metastudie erneut gezeigt, dass Amphetamin die Sportleistung eindeutig steigert und deshalb zurecht als illegales Doping gilt (2).  

Der bekannteste und inzwischen verrufene  Markenname für den Einsatz bei „ADHS“ ist inzwischen „Ritalin“ geworden, auch „Kinderkoks“ genannt aufgrund der chemischen und psychotropen Nähe dieses  Amphetaminderivats zu Kokain. Ritalin wirkt im Gehirn wie Kokain – nur langsamer.

Dabei ist Ritalin gar kein spezifisches ADHS-Medikament. Immer wieder wird behauptet, Methylphenidat (der Wirkstoff in Ritalin etc.) wirke spezifisch („paradox“) nur bei ADHS-Erkrankten. Damit wird denn auch seine Verabreichung als Medikament begründet, denn wenn es auch bei Gesunden wirken würde, wäre es ja nicht wirklich ein Medikament. So mancher behauptet sogar noch, die Wirkung von Ritalin beweise die Diagnose („ex juvantibus“).  In einer Auswertung aller vorliegenden relevanten Forschungsstudien zur Wirkung von Methylphenidat bei Gesunden kommen Linssen u. a. zum Ergebnis, dass bereits eine übliche Einmaldosis von Methylphenidat das Arbeitsgedächtnis, die Denkgeschwindigkeit, das verbale Lernen und Merken, die allgemeine Aufmerksamkeit und geistige Wachheit, das Nachdenken und Problemlösen auch bei Menschen ohne „ADHS“ deutlich verbessert (1).

Quellen:
(1) Linssen AM, Sambeth A, Vuurman EF, Riedel WJ.: Cognitive effects of methylphenidate in healthy volunteers: a review of single dose studies. Int J Neuropsychopharmacol.2014 Jan 15:1-17.
(2) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35022919/

RITALIN VERÄNDERT DAS GEHIRN VON KINDERN

Auch wenn Methylphenidathydrochlorid („Ritalin“) von immer mehr Kindern eingenommen wird, wurden bisher fast keine Untersuchungen zu den Wirkungen des Arzneimittels auf das sich bei Kindern noch entwickelnde Gehirn durchgeführt.

Eine Studie, die in der „JAMA Psychiatry“ veröffentlicht wurde, untersuchte erstmals die Wirkung von Ritalin auf das Gehirn von Kindern und Erwachsenen. Die Ergebnisse der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie zeigen, dass Ritalin eine deutliche Wirkung auf Kinder hat, die zu dauerhaften neurologischen Hirnveränderungen führen kann.“Da die Reifung mehrerer Hirnregionen erst im Jugendalter abgeschlossen ist, können Medikamente, die in den sensiblen frühen Lebensphasen verabreicht werden, die neurologischen Entwicklungsverläufe so beeinflussen, dass später tiefgreifende Auswirkungen folgen“, schreiben die Forscher unter der Leitung von Liesbeth Reneman, Ärztin und Forscherin an der Universität von Amsterdam. „Das jugendliche Gehirn ist ein sich schnell entwickelndes System, das ein hohes Maß an Plastizität besitzt. Daher ist das Gehirn möglicherweise besonders anfällig für Medikamente, die diese Prozesse stören oder die spezifischen Transmittersysteme dauerhaft verändern“. Man nennt dies „neurochemische Prägung“.

In ihrer Studie wurden männliche Kinder und Erwachsene, bei denen ADHS diagnostiziert wurde, nach dem Zufallsprinzip entweder mit Placebo oder Methylphenidat behandelt. Nach 16 Wochen und einer einwöchigen Auswaschphase beobachteten die Forscher die dopaminerge Funktion mithilfe der fMRI-Technologie. Sie fanden signifikante Veränderungen im Gehirn von Kindern, die bei Erwachsenen nicht vorhanden waren. Die Vermutung, dass sich diese durch die Medikamente bei Kindern hervorgerufenen Hirnveränderungen positiv auf die ADHS-Symptome auswirken könnten, bestätigte sich hingegen nicht.

Diese Studie liefert den ersten Beweis dafür, dass die Verwendung von ADHS-Medikamenten bei Kindern die Entwicklung des Gehirns auf signifikante und potenziell dauerhafte Weise verändern kann. Die Autoren betonen, dass ihre Kurzzeitstudie in größeren Gruppen und über längere Zeiträume überprüft werden muss. Uns ist bis heute keine solche Studie bekannt.

https://jamanetwork.com/…/jamapsych…/fullarticle/2538518

ADHS-GENE GIBT ES NICHT

Die Konferenz ADHS kritisiert die Behauptung, ADHS sei primär genetisch bedingt. Neue Forschungsergebnisse aus der Epi- und Molekulargenetik weisen auf komplexe Wechselwirkungen mit starken psychosozialen Kontexteffekten hin.

Bereits vor einigen Jahren hat der amerikanische Forscher Jay Joseph herausgefunden, dass die Verhaltensgenetik bei ADHS keine Aussage über Genetik versus Umwelt zulässt. Alle Beobachtungen lassen sich auch vollständig durch nicht-genetische Einflüsse erklären. Joseph resümiert: „Wir können nicht erwarten, dass die führenden Verhaltensgenetiker eingestehen, dass die Grundannahmen ihres Forschungsgebiets falsch sind, dass ihre hochgelobten Forschungsmethoden massiv fehlerhaft und durch Umwelteinflüsse konfundiert sind, und dass familiäre, soziale, kulturelle, ökonomische und politische Einflüsse es sind, – und nicht genetische-, die psychiatrische Störungen und die Variation menschlichen Verhaltens hauptsächlich begründen“.

Dem lässt sich bis heute auch für die Molekulargenetik nichts hinzufügen. Von ihr erhoffte man sich eine Überwindung der Methodenschwäche der Verhaltensgenetik. Bobb u.a. haben 2004 alle über 100 Forschungsstudien zur molekularen Genetik der ADHS der Jahre 1991-2004 kritisch gesichtet, darunter drei genomweite Assoziationsstudien mit 94 Polymorphismen und 33 Kandidatengenen. Sie finden, dass ADHS eine sehr „komplexe“ Störung mit vielfältiger, aber jeweils schwacher genetischer Beteiligung sei, und fassen dann zusammen, dass es nur für vier Gene einigermaßen gesicherte, aber nur bescheidene und auch nur statistische Zusammenhänge gibt. 64 % aller Genstudien zu ADHS waren in 13 Forschungsjahren ergebnislos geblieben.

In einer Metaanalyse von über 300 molekulargenetischen Studien zu ADHS stellen Li u. a. abschließend fest: „Der gegenwärtige Forschungsstand genetischer Studien zu ADHS ist immer noch uneinheitlich und ergebnislos“, aber die Zukunft (und damit weitere Forschungsgelder) werde alles klären.

Plomin, der international bekannte Verhaltensgenetiker, konnte 2011 keinen einzigen replizierten, also in Nachfolgestudien bestätigten, Genfund anführen. Es müsse diese Erblichkeit auch molekulargenetisch aber trotzdem geben, man habe sie bisher nur noch nicht entdeckt, wird gesagt.

Einer der führenden deutschen ADHS-Vertreter ist T. Banaschewski. Vor nunmehr 13 Jahren stellte er fest, dass die bisherige Forschung die Frage, ob es ADHS als von anderen unterscheidbare spezifische Störung überhaupt gibt, im Unklaren lasse. Aus seiner damaligen Forschungsübersicht bisheriger Vergleiche von ADHS mit anderen neuropsychologischen, neurobiologischen und genetischen Korrelaten zog er den ernüchternden Schluss, dass es bisher keine ADHS-Spezifität gibt. Auf Deutsch: ADHS gibt es gar nicht. Neue Forschungen bestätigen dies nunmehr.

In zwei umfangreichen aktuellen Genstudien zeigte sich nämlich: Es gibt einen großen genetischen Überlappungsbereich von ADHS mit anderen psychiatrischen Krankheiten. Es gibt also keine spezifischen Gene für ADHS. Wissenschaftler des Brainstorm Consortiums unter Beteiligung von Humangenetikern des Universitätsklinikums Bonn haben dies kürzlich bestätigt. An der groß angelegten Studie arbeiteten mehr als 500 Forscher aus aller Welt. Ergebnisse der Arbeit hat jetzt das Fachjournal Science vorgestellt. Es zeigte sich, dass sich 25 verschiedene psychiatrische Krankheiten inkl. ADHS in Bezug auf ihre Genetik im Grunde nicht unterscheiden lassen. Dabei ist die gemessene genetische Beteiligung bei psychiatrischen Krankheiten sowieso sehr klein, in bisherigen Studien beläuft sie sich auf ca. 5-10 % der Gesamtvarianz, 90% der Varianz bleiben also genetisch unerklärt.

Auch eine zweite internationale Forschergruppe unter Demontis hat kürzlich einige Gene identifiziert, die mit ADHS assoziiert sind, aber auch sie sind mit sogar ca. 200 anderen Erkrankungen und Persönlichkeitsmerkmalen verbunden, z. B. auch mit niedrigerer Intelligenz oder zerebralen Entwicklungsstörungen. Die gefundenen Genvarianten können nach Berechnungen der Forscher ca. 20 % der genetischen Prädisposition erklären. Also auch in dieser sehr umfangreichen Studie bleiben 80% der Varianz unerklärt.

Auch A. Thapar betont in einer Übersicht über die genetischen Befunde der letzten 5 Jahre die große Überlappung von ADHS mit Autismus, geistiger Behinderung und vielen anderen psychiatrischen und nichtpsychiatrischen Störungen, sogar mit Lungenkrebs (was selbstredend nicht bedeutet, Kinder mit ADHS-Diagnose unterlägen einem erhöhten Lungenkrebsrisiko). Man könne also ADHS nicht länger als eigene Krankheit betrachten. Die Ergebnisse lassen sich damit vergleichen, dass man zunächst Fieber als eigene, spezifische Krankheit erklärt und dann herausfindet, dass es lediglich ein unspezifisches, multikausales Symptom darstellt. So wenig man also von einer spezifischen Fieberkrankheit sprechen dürfte, darf man auch nicht von einer spezifischen ADHS sprechen.

Eine aktuelle Übersichtsstudie zu den Fortschritten der Molekulargenetik der ADHS in China von Qian u. a. äußert sich selbstkritisch, indem sie u. a. herausstellt, dass die Ergebnisse insgesamt widersprüchlich und enttäuschend sind. Es gebe mehrere mögliche Gründe für das Versagen von GWAS- und Kandidatengenstudien, Gene zu identifizieren, die hoch mit ADHS assoziiert sind: So unterscheiden die in den verschiedenen Studien untersuchten Probanden sich stark in Bezug auf Alter, ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, Komorbidität und diagnostische Merkmale. Auch werden Gen-Gen- sowie vor allem Gen-Umwelt-Wechselwirkungen nicht berücksichtigt. Ein eher schüchterner Verweis auf die in der ADHS-Forschung weitgehend ausgeblendete Bedeutung der Epigenetik.

Die neueren Erkenntnisse der Epigenetik lassen aber die gesamte Genetik zu einem Teilbereich des Hirnstoffwechsels werden und differenzieren die bisherigen Kenntnisse. Es ist Tatsache, dass die Umsetzung von genetischen Informationen unter dem Einfluss der Umwelt geschieht. Der damit einhergehende Fortschritt besteht darin, dass nicht mehr behauptet werden kann, es ginge bei der Genetik um die Vermittlung vorgegebener Codierungen – die klassische Vorstellung von “Erblichkeit”. Ein Gen kann noch so viel Pathologie enthalten: nur wenn es aktiviert wird, kommt es zur Wirkung. Damit gewinnen aktivierende oder abschaltende Einflüsse – sprich: Umweltfaktoren – entscheidende Bedeutung.

Aber die Erkenntnisse der Epigenetik sind weit davon entfernt, eine neue Phase zur Entschlüsselung des Genoms einzuleiten. Im Gegenteil: sie machen deutlich, dass die Genetik mit ihren unendlich vielfältigen wechselseitigen Wirkfaktoren den Gesetzen der Komplexität unterliegt und das Geschehen daher nicht durch die Eigenschaften einzelner Elemente, sondern durch deren Bedeutung im jeweiligen Kontext bestimmt wird. Angesichts dieses Erkenntnisstandes ist es erstaunlich, dass in der Fachliteratur über die Verursachung psychopathologischer Krankheits-“Bilder” wie „ADHS“ häufig noch die klassische Vorstellung von “Erblichkeit” vertreten wird, sobald familiäre Häufung und möglicherweise noch molekulargenetische Auffälligkeiten zu beobachten sind. Offenbar fällt es schwer, sich auf die Verunsicherung durch nichtlineare Systeme einzulassen. Diese Angst scheint so schwer zu wiegen, dass sie wissenschaftliche Befunde ausblenden lässt. Dies gilt nicht zufällig auch für die Thematik der Nichtlinearität in der Neurobiologie. Es empfielht sich allen Wissenschaftlern, Fachleuten und Betroffenen gleichermaßen, sich mit wirklichkeitsnäheren, komplexen Wechselwirkungsmodellen auseinander zu setzen. 

Quellen:

Bobb, AF. (2005): Molecular genetic studies of ADHD: 1991 to 2004. Am J Med Genet B Neuropsychiatr Genet. 2005

Joseph, J. (2011): The crumbling pillars of behavioral genetics. Genewatch http://www.councilforresponsiblegenetics.org/genewatch/GeneWatchPage.aspx?pageId=384

Li, Z. u. a.: (2014): Molecular genetic studies of ADHD and its candidate genes. A review. Psychiatry Res. 2014 Sep 30;219(1):10-24.

Banaschewski, T. u. a. (2005): Towards an understanding of unique and shared pathways in the psychopathophysiology of ADHD. Dev Sci. 2005 Mar;8(2):132-40.

Von Lüpke, H. (2014): Epigenetik. In: Evertz, K., Janus, L., Linder, L. (Hg.): Lehrbuch der Pränatalen Psychologie. Mattes Verlag Heidelberg, S.104-110.

Qian, GAO (2014): Advances in molecular genetic studies of attention deficit hyperactivity disorder in China. Shanghai Arch Psychiatry. 2014 Aug; 26(4): 194–206.

Brainstorm Consortium (2018): Analysis of shared heritability in common disorders of the brain. Science. 2018 Jun 22; 360(6395).

Thapar, A. (2018): Discoveries on the Genetics of ADHD in the 21st Century: New Findings and Their Implications. Am J Psychiatry. 2018 Oct 1;175(10):943-950.

Demontis, D. et. al. (2018): Discovery of the first genome-wide significant risk loci for attention deficit/hyperactivity-disorder. Nat Genet. 2018 Nov 26.

ADHS UND HOCHBEGABUNG

Was man nach wie vor in einschlägigen Internetforen über angebliche Zusammenhänge zwischen „ADHS“ und Hochbegabung liest, ist erstaunlich. Es hat sich bei Laien der Aberglaube verbreitet, Hochbegabung sei komorbid zu „ADHS“, als seien viele „ADHSler“ gleichzeitig hochbegabt, als seien sie besonders intelligente, „andere“, kreative und verkannte Genies. Es gibt ja sogar ein eigenes Forum, in dem solche Mythen fleißig kolportiert werden. Einer schreibt dabei vom anderen ab, wobei alles wieder mal so unspezifisch ist, dass sich wie in einem guten Horoskop fast jeder spontan wiedererkennt und gleich selber diagnostizieren kann. Wir haben hier zu diesem Thema bereits berichtet.

Aber auch ganz unabhängig von „ADHS“ grassiert sogar in Fachkreisen immer noch die allgemeine Überzeugung, Hochbegabung sei ein genereller psychosozialer Risikofaktor. Dabei liegt seit Jahren eine bahnbrechende Untersuchung von D. H. Rost vor, die Fachwelt und Laien längst eines Besseren belehren müsste. In einer der bisher größten längsschnittlichen Studien über hochbegabte und hochleistende Jugendliche mit großen Stichproben und Kontrollgruppen, wie es für Studien solcher Art bisher unüblich war, erstellen die Autoren ein umfassendes und verallgemeinbares Bild von Hochbegabung (Marburger Hochbegabten-Projekt).

Nicht wenige der in der Literatur zu findenden bisherigen Annahmen werden hier als unzulässige Verallgemeinerungen und platte Vorurteile entlarvt.So erwiesen sich hochbegabte oder leistungsbeste Schüler als psychisch besonders belastbar und psychosozial verantwortungsbewusst. Sie waren in ihrer Peer-Gruppe und in der Schulklasse gut integriert und allgemein psychisch unauffällig. Im Gegenteil, sie schnitten bei Persönlichkeitseigenschaften oft sogar positiver ab als durchschnittlich begabte Schüler. Nirgendwo in dieser vorbildlichen empirischen Studie fand sich eine Bestätigung für die These, dass Hochbegabung ein psychosozialer Risikofaktor sei. Vielmehr erwies sich Hochbegabung als psychosozial begünstigender Faktor. Hohe Intelligenz erleichtert das Leben.

Mir ist auch keine einzige Studie bekannt, die gezeigt hätte, dass in einer unausgelesenen Stichprobe von „ADHSlern“ mehr als die in der Normalbevölkerung zu erwartendenen 1-2 Prozent Hochbegabte vorkamen.Wenn einzelne Hochbegabte aber psychosozial auffällig werden oder scheitern, hat dies mit ihrer besonderen Intelligenz und Begabung nicht viel zu tun, es liegt auch nicht an einer sogenannten Krankheit „ADHS“, sondern an ganz individuellen, familiären psychischen Belastungen, die Hochbegabte genau so stören, wie alle anderen, weniger intelligenten Kinder auch. Oft liegt es daran, dass die Hochbegabung nicht erkannt wurde und sich daraus Erziehungsfehler entwickelten.

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